Afrika! - Sudan

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07.07.2008 Suakin - Port Sudan
Afrika empfängt mich mit strahlendem Wetter. Es ist heiß. Sehr heiß. Ich darf meinen Truck von Bord fahren und werde in ein Gebäude geschickt, in dem ich meinen Paß bekommen soll. Klimaanlagen gibt es hier nicht. Aber jede Menge Deckenventilatoren, die immerhin für Luftzug sorgen und so mein völliges Zerfließen verhindern. Es gibt einen Duty-Free-Shop. Auffallend daran ist, daß dessen Warenangebot hauptsächlich aus Waschmitteln (ich glaube mich an 'Persil' zu erinnern) besteht.
Meinen Paß soll ich an einem mit zwei Beamten besetzten Tisch erhalten. Dort stapeln sich Pässe aller möglichen Farben. Nur ein roter, deutscher, ist nicht dabei. Sie hätten meinen Paß noch nicht, ich soll warten. Das will ich nicht und so mache ich mich wieder auf zum Schiff, um zu klären, wo mein Paß bleibt. Ich komme nicht weit, da werde ich zurückgepfiffen, der Paß hat sich doch in einer Schublade gefunden. Wahrscheinlich wäre er für 10$ auch sofort aufgetaucht, denke ich.
Azhari hat mir die Tel. Nr. eines Freundes, Capt. Al Hadi Hassan gegeben. Er wird mir helfen. Blöd ist nur, daß ich ihn nicht erreichen kann. Aber es wird auch so gehen. Doch plötzlich steht ein hochaufgeschossener Mann vor mir. Thomas? Yes! Es ist Al Hadi. Sein Englisch ist sehr gut, er lacht und unbekümmert starten wir unseren Weg durch die afrikanische Bürokratie. Er versteht es, Dinge zu beschleunigen. Dem einen übergibt er mein Carnet und schickt ihn zur Zollabfertigung, wieder einen anderen schickt er Geld wechseln, er schüttelt Hände hier, klopft auf die Schulter dort, jeder scheint ihn zu kennen, bis hin zum Hafen-Boß, dem er mich auch gleich noch vorstellt.
Billig ist das Ganze allerdings nicht. Meine Dollars schmelzen dahin. Insgesamt wird das Verfahren mehr kosten als die gesamte Überfahrt. 200$ Hafengebühren, 200$ Deposit für den Truck (trotz Carnet, und das Geld sehe ich trotz Quittung und aller Papiere ziemlich sicher nie wieder), Stempelgebühren hier, Schmiergeld da. Es ist ein Wahnsinn. Aber es geht schnell. Innerhalb von ein paar Minuten habe ich meinen Paß, bekomme ihn abgestempelt und mit einem freundlichem 'Welcome to Sudan' in die Hand gedrückt. Mit dem Truck geht es zur Zollkontrolle. Die hier wartenden Autos werden intensiv durchsucht. Alle Gepäckstücke liegen um die Autos verteilt herum, Motorhauben stehen offen, es werden Fahrgestell- und Motornummern geprüft.
Meinen Truck nimmt ein höhergestellter Beamter ab. Ich zeige ihm die Fahrgestellnummer am Rahmen, aber es ist ihm zu kompliziert, sich hinter die 16.00 Reifen zu quetschen, um sie abzulesen. Der Aufkleber an der Beifahrertür tut's auch. Meine zusätzlich angebrachte Motornummer (die original eingestanzte Motornummer kann man nur ablesen, wenn man das Führerhaus kippt - eine Meisterleistung an Ingenieurskunst von MAN) streift er nur flüchtig und hakt das Formular ab. Aber die Fahrgestellnummer des Motorrads am Heck will er sehen. Und jetzt leuchten die Dollarzeichen in seinen Augen. 700 sud. Pfund (umgerechnet etwa 300 Euro!) will er, dann hilft er mir, das Motorrad auf die Erde zu stellen, so daß er es prüfen kann, um es dann wieder zurück auf den Träger zu hieven. Er braucht dafür schließlich viele Männer. Ich denke an das Beispiel von Moses und dem Berg, es reichte wahrscheinlich ein Mann, um ihn hochzuheben, dann könnte er die Fahrgestellnummer auch lesen, aber da würden sich mit Sicherheit alle Umstehenden vor Lachen krümmen und das wäre dann all zu peinlich. Er triumphiert, weil er mich in der Hand glaubt, doch ich packe meine Fernbedienung aus und lasse das Motorrad unter großem 'Ah!' und 'Oh!' elektrisch zu Boden. Als es dann, nach erfolgter Prüfung, auch wieder wie von selbst nach oben fährt, bin ich endgültig die Attraktion des Ortes und vollständig umringt.
Die Prüfung des Fahrzeug-Inneren beschränkt sich auf die Frage 'what's in there?' - keiner will die Kraxelei in die Kabine auf sich nehmen, die Leiter habe ich vorsorglich gelassen, wo sie hingehört. So genügt ein schneller Blick durch die offene Tür - das wars.
Außerhalb des Hafengeländes biegt Al Hadi in eine staubige Seitenstraße ab, fährt scheinbar ins Nirgendwo, hält an einer Baracke, vor der zwei Polizisten sitzen. Hier gibt es das nötige Travel-Permit. Die Aussagen, ob man nun eines braucht oder nicht, variieren. Al HAdi meint, es wäre auf jeden Fall ratsam, eines zu haben, besonders wenn man vorhat, abseits der Hauptrouten zu fahren. Er besort mir ein Travel-Permit für den gesamten (!) Sudan. Ohne Einschränkungen. Hier treffe ich erste bettelnde Kinder, aber keineswegs aggressiv. Sie sind, scheint es, erfolgsverwöhnt. Denn kaum sehen sie, daß bei mir nichts zu holen ist, wenden sie sich anderen, verheißungsvoller wirkenden Autos zu - und bekommen dort auch prompt ihr Geld. Da braucht man sich nicht zu wundern. Ein junger Mann spricht mich an. Sein Englisch ist furchtbar. 'Give 100$!' meint er. Ich entscheide mich, das Spiel mitzuspielen. Wirklich? 100$? Wieso? Wofür? 'Yes, give 100$', meint er wieder. Ich freue mich. Wieso er mir 100 Dollar geben will? Aber ich nehme sie gerne. Klar! Passiert nicht jeden Tag, daß mir einer 100$ geben will! Er schaut ungläubig, ich grinse und schon lachen wir und die Sache ist vergessen.
Al Hadi besorgt mir noch eine Versicherung für einen Monat, dieses Office zu finden hätte ich alleine auch Schwierigkeiten gehabt. Zuletzt will er noch einen ganzen Batzen Geld für seine Dienste - mir reicht es schön langsam mit der Dollarflut, die davonschwimmt, aber er versichert mir, das sei es jetzt gewesen. Er lädt mich ein, mit ihm nach Port Sudan zu kommen, ich könne in seinem Garten stehen, sein 'Guard' würde mich bewachen, ich sei dort sicher und seine Familie erwarte mich bereits zum Abendessen. Das kann ich nicht ausschlagen und so fahren wir hintereinander her nach Port Sudan. Sein Fahrstil ist mörderisch, aber sein altersschwacher Mercedes gibt nicht mehr viel Leistung ab und so kann ich ihm leicht - trotz unzähliger Überholmanöver - folgen.
Mit Al Hadi, seinem Bruder, seinem Schwager (sie haben drei Schwestern geheiratet!) und versammelter Kinderschar essen wir zu Abend. Sein Bruder hat das einzige Seafood-Restaurant in der Gegend, aber die Touristen kommen immer noch nur spärlich, hauptsächlich zum Tauchen im Roten Meer. Al Hadi betreibt eine Shipping-Company, die er vor kurzem gegründet hat. Es wird spät diese Nacht und so schlafe ich meine erste Nacht in Afrika tief und fest.