22.10.2007: Dogubeyazit
- Poldasht
Nachdem mich Floh mal wieder sehr früh (noch vor dem
Hellwerden) rausgejagt hat, weil er angeblich mußte
(dafür hat er sich dann aber schön Zeit gelassen, der
Bandit), beschließe ich, doch heute noch in den Iran zu
fahren. Das Wetter paßt, und nachdem ich so früh auf
den Beinen bin, bleibt mir hoffentlich nach dem Grenzprozedere im Iran
noch genug Zeit, um nicht im Dunkeln Schlafplatz suchen zu
müssen. Ich räume den kompletten Stauraum leer, damit
sich auch sicher keine Flasche Wein irgendwo noch findet, und schenke
die guten Tropfen zusammen mit ein paar Büchsen Bier und der
restlichen Wurst Parashut. Er meint zwar, daß das nicht so
wild sei mit der Grenze, aber ich kann mir eine Zurückweisung
wegen Alkohol nicht leisten.
Die Straße Richtung Grenze ist 4-spurig ausgebaut und erlaubt
locker Tempo 100. Etliche Kilometer vor der Grenze wird mein Optimismus
allerdings ganz schön gedämpft - doppelspuriger
LKW-Stau bis zum Horizont. Na super. Ich stelle mich also in die Reihe
und ergebe mich meinem Schicksal. Klimaanlage läuft, Sprit hab
ich, da ich fast alle restlichen türkischen Lira noch vertankt
habe (mir ist die Verfügbarkeit von Diesel im Iran nicht ganz
geheuer, deshalb fahre ich lieber mit mindestens einem vollen Tank
los), Wasser und Lebensmittel auch für einige Zeit, was soll
also schon passieren? Da kommt ein Männchen angehumpelt,
fuchtelt ganz fürchterlich mit den Armen und meint ganz
offensichtlich mich. Ich öffne das Fenster und stelle mich
seinem Begehr. Ob ich Geld wechseln will? Aha. Nein, Geld wird erst
nach der Grenze gewechselt. "100 Euro?" - Nein, ich sagte ja eben, nach
der Grenze. Punkt. Er kann mir aber helfen. Er bringt mich in 5min
über die Grenze. Ob ich noch türkische Lira habe? Na
gut, ich geb ihm meine 30 restlichen YTL und hoffe auf das Beste. Und
sieheda, er dirigiert mich auf die Gegenfahrbahn und - zack -
sind wir an der LKW-Schlange vorbeigerauscht. Hierhin und dorthin
dirigiert er mich, mir geht das alles zu schnell, um überhaupt
mitzukriegen, was am jeweiligen Schalter abgeht. Jedenfalls habe ich
meine Ausreisestempel im Paß und es geht zur letzten
Kontrolle vor dem doppelten Eisengittertor (Die türkische
Seite ganz hoch technisiert mit einem altersschwachen Zahnradantrieb,
die iranische Seite mit Handkraft). Meine Fahrzeuge müssen
noch aus dem Computer ausgetragen werden. Und schon haben wir ein
Riesenproblem. Der Grenzbeamte bei der Einreise hat einen Fehler
gemacht und das Motorrad nicht in den Computer eingetragen. (Hatte
ich dort schon beschrieben, dafür hat er einen
ganzen Roman in meinen Paß gekritzelt). Kann man nicht im
Paß ebenso was reinkritzeln, und die Sache ist erledigt?
Völlig verständnislos sieht mich der Grenzbeamte an.
Nein, man muß den Fehler im Computer beheben! Nur
weiß leider keiner, wie das geht. Stunde um Stunde vergeht.
Knappe Anweisungen von immer höheren Grenzbeamten helfen nur
scheinbar weiter. Die Zeit verrinnt. Man wartet auf ein
deutsches Fahrzeug am Grenzübergang in Ippsala, dann
könne man meine Nummern ändern. Wie bitte? Das kann
ja eine Woche dauern, zur Zeit fährt da kein Deutscher rum
(ich hatte zumindest auf meiner ganzen Reise durch die Türkei
keinen getroffen!). Irgendwann kommt ihm ein Geistesblitz - Thomas -
wie heißt Dein Vater? Konrad! Und schon tippselt er wild auf
dem Computer herum, muß nur noch mal schnell zur 1.
Kontollstelle, dort einen Stempel holen, wird auch dorthin gefahren und
wieder gebracht und - schwupps - schon habe ich meinen Paß
wieder und darf ausreisen. Mein gewiefter Helfer stand die ganze Zeit
sich rumdrückend rum, hat mir aber ab und zu
übersetzt, was da alles ablief. Jetzt will er nochmal Geld. Er
hat alles für Bakschisch ausgeben müssen. Und es hat
alles so lange gedauert. Stimmt. 5 min. waren ausgemacht, 1 Stunde
wäre auch noch ok gewesen, aber so hat er völlig
versagt. Das, was er bekommen hat, reicht dafür, daß
er mich an der langen Schlange vorbeigelotst hat - was ich
wahrscheinlich als Wohnmobil sowieso hätte tun
dürfen. Geld wechsle ich noch bei ihm. Zu einem schlechten
Kurs, aber was solls. So richtig unglücklich sieht er auch
nicht aus, als er sich davonmacht, das war wohl eher ein guter Schnitt,
den er da gemacht hat. Das waren etliche Stunden und die 'schwierige'
Seite der Grenze kommt ja erst noch! Der Doppelzaun öffnet
sich (wobei die Iraner mit ihrem Handbetrieb ganz eifrig schneller
sind) und schon sehe ich mich wieder einem "Helfer" gegenüber.
Er hilft mir durch alle Formalitäten. Na gut, denke ich mir,
in dem Chaos, das hier herrscht, mit einer Schrift, die ich nicht lesen
kann, mit kaum jemandem, der Englisch spricht, ist er mir ganz
willkommen. Den Polizeistempel habe ich schnell im Paß, der
Beamte sehr, sehr freundlich, "Welcome to Iran!" und er
schüttelt mir die Hand. Die Zollformalitäten sind da
schon schwieriger. Von wem zu wem man hier laufen muß, bleibt
mir hier verschlossen. Das ist ein geheimes System. Mal kritzelt einer
mit grüner Tinte (der muß ganz wichtig sein) auf ein
Blatt Papier, mit dem man dann zu einem Beamten geht, der viele dicke
Bücher vollschreibt, einem wieder Formulare
aushändigt, die man auf arabisch ausfüllen soll -
spätestens da wär ich alleine völlig
aufgeschmissen gewesen. Wieder zurück zum Mann mit dem
grünen Kugelschreiber im Anzug, nicht alle sind hier
uniformiert, wie man hier rausfinden soll, wer wofür
zuständig ist, ist mir schleierhaft. Jedenfalls wird viel
gestempelt und abgeschrieben und Paß fotokopiert und
Bücher beschrieben, alles in allem eine gute weitere Stunde.
Die Carnets sind abgestempelt, ich habe ein Einreisepapier für
die Fahrzeuge, das ich bei der Polizei abgeben soll, ich soll auch nach
Tabriz, mir iranische Nummernschilder besorgen, wei lich
länger als 5 Tage im Iran bleiben will, jetzt nur noch
Fahrzeugkontrolle und weiter gehts.Der Kontrolleur will ins Fahrerhaus
sehen, ich warne ihn noch, daß da zwei Hunde sitzen, die seit
heute Morgen sich nicht bewegen konnten - und schon zuckt er wie vom
Blitz getroffen zurück, als ihm Mogli direkt in die Augen
schaut. Uff. Mit dem Fahrerhaus ist er fertig. Ob hinten auch noch
Hunde sind? Nein, aber der Durchgang ist offen :-) Er will nur kurz
hineinsehen, interessiert sich dann eher für meine
Expeditionskisten, will natürlich eine der unteren sehen, und
ich beginne, rumzuräumen. Das dauert ihm zu lange, er gibt
sich mit dem Blick in die Klamottenkiste zufrieden. Dann werden noch
Fahrgestellnummern gesucht, ich muß das Motorrad
herunterfahren, aber alles hat seine Ordnung. Ich bin entlassen. Kann
fahren! Mein Helferlein kommt mit mir. Ob ich ihm Geld gebe,
dafür, was er für mich getan hat? Klar sage ich, er
hat mir doch geholfen und das soll schon eine Belohnung wert sein. "100
Euro, ok?" - Ich breche in schallendes Gelächter aus.
Erkläre ihm, daß ich 20 Euro schon
großzügig finde und er mir mit irgendeiner
Bakschisch-Geschichte nicht zu kommen braucht. Aber er hat mir doch
geholfen! Ja, und 20 Euro sind eine Menge Geld. Soviel verdient kein
anderer hier am ganzen Tag! Richtig? Ich geb ihm schließlich
30, und auch er läuft sichtlich zufrieden zurück.
Eine letzte Polizeikontrolle und ich bin in den Iran entlassen. Ich
habe noch eine knappe Stunde, bevor es dunkel wird. Ich will die
türkische Grenzregion hinter mir lassen, fahre, soweit man
eben noch gut sehen kann, biege dann ab von der Hauptstraße
Richtung Poldasht, dort sieht es so aus, als ob es einen See
gäbe, vielleicht findet sich dort ein Plätzchen. Aber
bis ich in Poldasht ankomme, ist es schon dunkel, ich verfahre mich,
lande halb auf einer Polizeistation und fange an, mich damit
abzufinden, daß es heute eben keinen schönen
Schlafplatz gibt.
Da hupt mich ein Taxifahrer an - ob ich denn etwas suche? Ja, einen
Schlafplatz für die Nacht. "I show you" - und ab gehts durch
das Städtchen. Er findet den Platz mit der höchsten
Polizeidichte - ganze 3 Polizeistationen befinden sich in Rufweite.
Wenn das kein sicherer Platz ist!